Norwegen – das Land der Fjorde, Berge und Mitternachtssonne – hat in der Musikgeschichte eine ganz eigene Klangsprache hervorgebracht. Mal wurzelt sie tief in Volksliedern und Naturbildern, mal schlägt sie Brücken zur europäischen Moderne oder wagt sich an die Grenzen neuer Musik. Dieses Konzert mit dem Titel „Sounds of Norway“ lädt dazu ein, die Vielfalt norwegischer Klangwelten zu entdecken: von Edvard Griegs unsterblicher Bühnenmusik zu Peer Gynt bis hin zu zeitgenössischen Werken, die teilweise erstmals in der Schweiz erklingen.
Bjørn Sagstad – Dirigent
Bjørn hat seine Ausbildung am Royal Northern College of Music, an der Grieg Academy of Music in Norwegen und an der Universität Tromsø und Trondheim in Norwegen absolviert. Er hat mit Sinfonieorchestern in Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Hongkong und in den USA sowie mit allen professionellen Militärblasorchestern in Skandinavien, der Royal Marine Band in Holland und der Royal Marines in Portsmouth (Vereinigtes Königreich) gearbeitet.
Sein Repertoire ist breit gefächert und umfasst Orchester-, Chor-, Musical-, Opern- und Ballettwerke und ist auf zeitgenössische Musik spezialisiert. Er hat mehrere Aufnahmen gemacht und war für die Uraufführung einer großen Anzahl neuer Werke verantwortlich. Gegenwärtig leitet Bjørn ein fünfjähriges Mentorenprogramm für junge Dirigenten, das von Dextra Musica und dem norwegischen Orchesterverband gefördert wird. Bjørn war künstlerischer Leiter und Chefdirigent mehrerer Orchester und Bläserensembles, darunter das Prinsen Brass Ensemble (Dänemark), das Kristiansund Symphony Orchestra and Opera, die Norwegian Navy Band und das Kristiansand Wind Ensemble (Norwegen). Bjørn ist ein gefragter Gastdirigent und Dirigierdozent, der fast überall auf der Welt Meisterkurse gibt.
Bjørn Sagstad – Dirigent
Fanfare og Koral op. 54a (1967) – ca. 8min
Egil Hovland (1924–2023)
Egil Hovland zählt zu den prägenden Figuren der norwegischen Musik des 20. Jahrhunderts. Als Organist, Chorleiter und Komponist in Fredrikstad setzte er über Jahrzehnte hinweg entscheidende Impulse für das kirchenmusikalische Leben seines Landes. Dabei war er alles andere als auf einen Stil festgelegt: Seine Musik reicht von norwegisch-romantischen Anklängen über neoklassizistische Klarheit bis hin zu Zwölfton- und aleatorischen Techniken. Diese Vielseitigkeit brachte ihm den Ruf eines der produktivsten norwegischen Komponisten seiner Zeit ein.
Die „Fanfare og Koral“ entstand 1966 im Auftrag der St. Olaf Band in Minnesota (USA) und wurde beim Bergen International Festival uraufgeführt. Der Titel verrät bereits die Grundelemente: eine kraftvolle Fanfare, ein gesanglicher Choral und mehrere Zwischenspiele. Besonders markant ist ein Perkussionssolo, welches das Werk in überraschende rhythmische Sphären führt. Im Verlauf werden die Bausteine kunstvoll verflochten und steigern sich zu einem strahlenden Finale.
Bemerkenswert ist die harmonische Anlage: Während die Fanfare tonale und freitonale Gesten vereint, durchläuft der Choral alle zwölf Töne der chromatischen Skala – ein Hinweis auf Hovlands Offenheit gegenüber modernen Techniken. Das Ergebnis ist ein Stück, das monumentale Kraft und spirituelle Tiefe verbindet – gleichsam ein sinfonisches Ritual, das den Abend würdig eröffnet.
„To be able to bring my music to Switzerland […], music by my colleagues, friends and fellow musicians back home, is somehow the most beautiful thing I can do.“
Bjørn Sagstad
Dirigent aulos 2025
I fred bland träden bo (2024) – 4min
Schweizer Erstaufführung
Isak Hård (*1998)
Der junge schwedische Komponist Isak Hård, wohnhaft in Bergen, gehört zu einer neuen Generation von Künstler:innen, die sich eng an Natur und Poesie orientieren. Seine kompositorische Sprache ist geprägt von Intimität, Sensibilität und der Suche nach Resonanz zwischen Klang und innerer Erfahrung.
Das Werk „I fred bland träden bo“ („In Frieden unter den Bäumen wohnen“) ist ein sehr persönliches Stück. Es basiert auf Gedichten, die Hårds Grossmutter zu Lebzeiten gesammelt hatte und die er erst nach ihrem Tod entdeckte. Viele dieser Texte handeln von Vergänglichkeit, Tod und dem Finden von Frieden. Als sie im November 2023 verstarb, begann Hård unmittelbar danach, dieses Werk zu komponieren – als künstlerische Verarbeitung von Trauer, aber auch als Geste des Erinnerns.
Musikalisch spiegelt sich diese Intimität in zarten, atmenden Linien, in einer harmonischen Sprache, die zwischen Melancholie und Trost changiert. Das Werk lädt dazu ein, nicht nur zuzuhören, sondern sich innerlich auf eine stille Reise einzulassen – dorthin, wo die Bäume Schutz bieten und die Musik zur Sprache des Unaussprechlichen wird.
Leonhard Dering – Piano
Konzert für Klavier und Blasorchester (2023) – 25min
Uraufführung
Ralph Bernardy (*1988)
Mit diesem grossangelegten Konzert für Klavier und Blasorchester lotet Ralph Bernardy die Möglichkeiten dieses Klangkörpers bis an die Grenzen aus. Der Komponist, heute Professor für Gehörbildung an der renommierten Schola Cantorum Basiliensis, studierte unter anderem bei Wolfgang Rihm und ist für seine stilistische Vielseitigkeit ebenso bekannt wie für seine kompositorische Virtuosität.
Das Klavierkonzert ist ein wahres Klanglabor, in dem scheinbar Gegensätzliches aufeinandertrifft: Ein virtuoser Klaviersatz in der Tradition von Chopin, Schumann oder Brahms steht neben jazzigen Harmonien, Ragtime-Rhythmen und volkstümlichen Motiven. Der sinfonische Blasorchestersound bringt eine zusätzliche Dimension von Wucht und Farbigkeit ins Spiel.
Der besondere Reiz liegt im Unvorhersehbaren: Stilwelten „kippen“ ineinander, wechseln abrupt, werden spielerisch kontrastiert oder überraschend verschmolzen. Trotz dieser Heterogenität entsteht ein übergreifender Spannungsbogen, der das Werk zusammenhält. Für Solist, Orchester und Publikum bedeutet das Konzert gleichermassen Herausforderung wie Abenteuer – eine Uraufführung, die sich als Meilenstein im Repertoire für Klavier und Blasorchester erweisen könnte.
Leonhard Dering – Solist
Der Pianist Leonhard Dering engagiert sich für zeitgenössische Musik und wird die Uraufführung des Klavierkonzertes von Ralph Bernardy zusammen mit dem sinfonischen Blasorchester aulos gestalten. Als Pianist konzertiert Leonhard Dering in ganz Europa.
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Er spielte unter anderem an Orten wie Philharmonie München, Konzerthaus Berlin, Internationale Maifestspiele Wiesbaden, Beethovenfest Bonn, Donaueschinger Musiktage, in der Serie „Meisterpianisten“ der Bad Homburger Schlosskonzerte, beim Festival Mas i Mas Barcelona, Piano Loop Festival Split. Als Kammermusikpartner spielte er u.a. mit Mitgliedern des Ensemble Modern, Pianisten wie Konstantin Lifschitz oder Benjamin Engeli, dem Eliot Quartett, Mezzosopranistin Josy Santos, Countertenor Andreas Scholl.
Als Solist debütierte er mit dem Hessischen Staatsorchester im Kurhaus Wiesbaden. Als Beitrag zum BTHVN2020-Projekt spielte er am Nationaltheater Mannheim Beethovens 9. Sinfonie in der Liszt-Fassung für zwei Klaviere gemeinsam mit Kirill Zvegintsov ein. Eine weitere Zusammenarbeit des Pianisten-Duos zum Anlass des Beethovenjahrs war ein fünfstündiger Klaviermarathon mit neun Klaviersonaten und der Großen Fuge op. 134 zu vier Händen mit Aufführungen in Deutschland und der Schweiz.
Als Pianist arbeitet Leonhard Dering regelmäßig mit Komponist:innen, u.a. mit Óscar Escudero und Marcela Lucatelli, die für ihn den Klavierzyklus „Four Lilith Valses” schrieb und den er 2019 in Kopenhagen uraufführte. Mit dem Ensemble musique lucide vergab er einen Werkauftrag an den Schweizer Komponisten Christoph Blum: „Inzwischen. Sieben Interludien“ (2022) zum Quatuor pour la fin du temps von Olivier Messiaen“, gefolgt von Konzerten in der Schweiz, u.a. Walcheturm Zürich und Deutschland. Gemeinsam mit dem Komponisten Aleksander Gabryś entwickelte und spielte er 2022 das neue Musiktheater „Beelzebub-Sonate” an der Gare du Nord Basel. Im Oktober 2023 gestaltete er im Radialsystem Berlin im Duo mit der Sopranistin Maja Bader die Uraufführung des Liederzyklus „Ob aus Luft” von Boris Filanovsky auf Gedichte der Poetin Maria Stepanova. Im Februar 2025 debütiert er im Konzerthaus Berlin.
Geboren in Tomsk in einer Familie mit deutschen, russischen und lettischen Wurzeln, wuchs Leonhard Dering in Coburg auf und studierte Klavier bei Alla Schatz, Lev Natochenny und Konstantin Lifschitz. Heute lebt er in Basel.
Pause – 20 Minuten
Nocturne (2020) für Klarinettenchor – 4min
Schweizer Erstaufführung
Torstein Aagaard-Nilsen (*1964)
Torstein Aagaard-Nilsen ist ein bedeutender norwegischer Komponist und Pädagoge, der für seine Innovationsfreude im Bereich der Blasmusik geschätzt wird. Sein „Nocturne“ ist ein kurzes, aber atmosphärisch dichtes Werk für Klarinettenchor.
Das Stück entfaltet eine nächtliche Stimmung: schwebend, geheimnisvoll, voller Zwischentöne. Durch die im Saal verteilte Aufstellung der Musiker:innen entsteht ein Raumklang, der das Publikum umhüllt und mitten ins musikalische Geschehen hineinzieht.
So wird die „Nocturne“ nicht nur zu einem Stück Musik, sondern zu einer Erfahrung, die Zeit und Raum auf besondere Weise verschmelzen lässt – wie ein Traum, der sich aus allen Richtungen nähert.
Variasjoner over en Folketone fra Valdres (2005) – 15min
Stig Nordhagen (*1966)
Dieses Werk des norwegischen Komponisten Stig Nordhagen wurde anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Auflösung der Union zwischen Norwegen und Schweden komponiert. Es basiert auf einer traditionellen Volksmelodie aus dem Valdres-Tal – einer Region, die für ihre reiche Volksmusikkultur bekannt ist.
Das Stück besteht aus einem Prolog, acht Variationen und einem Epilog. Dabei folgt es nicht der klassischen Form von Thema und Variationen, sondern wählt einen umgekehrten Weg: Die Volksmelodie – das eigentliche Thema – wird erst im Epilog durch das Fagott vollständig vorgestellt. Zuvor durchwandert das Werk verschiedene Stimmungen und musikalische Landschaften, in denen sich nach und nach Motive, Rhythmen und Anklänge an die Melodie offenbaren. Diese Struktur verleiht dem Epilog eine besondere Rolle: Er wirkt wie eine musikalische Auflösung oder Rückkehr – nach einer Reise durch emotionale, technische und stilistische Variationen erscheint die ursprüngliche Melodie in natürlichem Moll – ohne zusätzliche chromatische Spannung, schlicht und unmittelbar.
Der genaue Ursprung oder Titel der zugrunde liegenden Volksmelodie ist nicht öffentlich dokumentiert, was dem Werk eine zusätzliche mystische Dimension verleiht – als würde es sich durch das kollektive musikalische Gedächtnis Norwegens tasten, um am Ende eine einfache, tief empfundene Melodie ans Licht zu bringen.
Peer Gynt Suite Nr. 1, op. 46 (1874) – 15min
Edvard Grieg (1843–1907)
arr. Christiaan Janssen
Mit Edvard Grieg erreicht das Programm seinen wohl bekanntesten Vertreter. Kaum ein Werk hat Norwegen so sehr auf die musikalische Landkarte gesetzt wie seine Musik zu Henrik Ibsens Schauspiel Peer Gynt. Die Suite Nr. 1 umfasst vier Sätze, die längst zu Klassikern geworden sind: die sonnendurchflutete „Morgenstimmung“, das ergreifende „Åses Tod“, der elegante „Anitras Tanz“ und das dramatisch-düstere „In der Halle des Bergkönigs“.
Die Bearbeitung für Blasorchester bringt diese Stücke in leuchtenden Farben zum Erklingen und zeigt, wie universell Griegs Musik wirkt. Ob als Naturbild, Charakterstück oder musikalisches Drama – hier spiegelt sich eine Klangsprache, die tief in norwegischer Kultur verwurzelt ist und zugleich Weltruhm erlangte.